So viele Leben sind vorstellbar - und doch haben wir nur das Eine. 

 

In die Kanäle von Venedig, erzählt man sich, habe sich einmal ein Wal verirrt.

 

Zwischen den Brücken sei er beinah lautlos aufgetaucht. Einmal, zweimal, dreimal. Mit stillem Blick habe er in die Gassen geschaut und in die hohen Fenster, in fremde Leben, die nicht die seinen waren. Dann sei er sang- und klanglos wieder abgetaucht und nicht mehr erschienen. Ich wüsste gern, was er gesehen hat.

 

acqua alta ist ein filmischer Essay, der vom Leben, Überleben und vom Vergehen erzählt. Ästhetisch treffen sich zwei Welten: ein dokumentarisch- nüchterner  Blick und visuelle Elemente, die an Malerei und an die Maltechnik des Sfumato* anlehnen.

 

Venedig, im Februar. Ich flaniere durch die Gassen und schaue auf mein Leben. Fünf Menschen kreuzen meinen Weg und lassen mich in die ihren schauen. Der Zeichner, der Vergolder, die Weberin, der Strassenkünstler, die Kulturmanagerin und ich – zufällig sind wir gleichzeitig in derselben Stadt. Man trifft sich, verhandelt etwas Leben und geht wieder weiter. 

In acqua alta sind ein paar Fäden unserer Geschichten zu einem Stimmungsbild verknüpft, eine Momentaufnahme, in der die Vergänglichkeit sich spiegelt.

 

Eine Besonderheit an acqua alta ist seine ästhetische Struktur: die konventionell gefilmten Porträts sind über malerische Lochkamerafilm-sequenzen verknüpft. Diese mystischen Bildwelten verbinden die dokumentarischen Episoden mit der Geschichte des Erzählers. Als unsichtbarer Betrachter des Kaleidoskops reflektiert er das Verstreichen seiner eigenen Zeit. 

*Der Begriff „sfumato“ (verschwommen, verraucht) bezeichnet eine von Leonardo da Vinci angewandte Maltechnik. In Venedig wird der Begriff auch verwendet, wenn die Stadt bei bestimmten Wetterlagen im Dunst verschwimmt.